Call for Publications
Die Labor-Metapher ist in den Digital Humanities (DH) weit verbreitet (Earhart, 2015; Lane, 2016) und wird aktuell verstärkt im Kontext der wissenschaftssoziologischen “laboratory studies” in der Tradition von Karin Knorr Cetina (1991) auf vielfältige Weise diskutiert (vgl. etwa Pawlicka-Deger, 2020). Häufig betonen DH-Labore dabei den Aspekt des wissenschaftlichen Austauschs und der Kollaboration (im Sinne eines collaboratory, vgl. Siemens & Siemens, 2012), der in den interdisziplinären Konstellationen der DH geradezu genre-prägend ist. Darüber hinaus ist das Labor traditionell eng verknüpft mit der Funktion als Experimentierstätte.
In DH-Labs werden dementsprechend geistes- und kulturwissenschaftliche Daten in Experimentalsettings aufbereitet, transformiert, kodiert und mithilfe von speziellen Instrumenten und Verfahren (vgl. Hannaway, 1986: 585) – also digitalen Tools und Methoden – analysiert. Die regelmäßige Reflexion des wechselseitigen Einflusses von digitalen Methoden und bestehenden Theorien sowie auch Epistemen eröffnet im DH-Lab zusätzlich die Möglichkeit erkenntnistheoretischer Versuche. Dabei fungieren DH-Labs auch als dynamische Werkstätten des Wissens. Grundlegende Praktiken der Geisteswissenschaften entfalten im Ideen- und Schreiblabor ihre kreative Kraft: Die Dokumentation wie die Kommunikation von Forschungsprozessen und -ergebnissen können dank neuer Publikationsformate an sich schon zum Experiment und zur interdisziplinären Ideenschmiede werden.
Unter der Losung „Fabrikation von Erkenntnis: Experimente in den Digital Humanities” greift dieser Call for Publications die eingangs genannten Aspekte auf und lädt dazu ein, das experimentelle Potenzial der DH in unterschiedlichen Beitragstypen zu ergründen. Er greift mit dem Thema “Experimente” auch das Rahmenthema der vDHd2021 auf, das Alternativformat für die verschobene Jahrestagung des DHd-Verbands. Die vDHd2021 wird von der Community für die Community und mit Unterstützung des DHd e.V. organisiert. Die verschiedenen Veranstaltungen der vDHd2021 sowie auch dieser Call for Publications sollen das Warten auf die nächste DHd-Jahrestagung im Frühjahr 2022 in Potsdam verkürzen. Der Call ist zwar losgelöst von den Events der vDHd2021, möchte aber ebenso zur Sichtbarkeit aktueller DH-Aktivitäten im deutschsprachigen Raum beitragen – dies auch vor dem Hintergrund des Fehlens eines Book of Abstracts für das Jahr 2021.
Insgesamt sind drei Typen von Einreichungen möglich, die im Folgenden näher erläutert werden:
Für alle Beitragstypen ist zunächst ein Abstract bis zum 15. Februar 2021 bei den jeweils angegebenen Kontaktpersonen einzureichen. Die Entscheidung über die Annahme der Beiträge ergeht bis zum 15. März 2021. Die vollständigen Beiträge müssen bis zum 10. Mai 2021 eingereicht werden. Alle angenommenen Beiträge werden in einer Sonderausgabe der Zeitschrift für digitale Geisteswissenschaften (ZfdG, http://www.zfdg.de/) und auf Melusina Press (https://www.melusinapress.lu/) im Open Access veröffentlicht. Weiterhin werden alle Beitragstypen im Rahmen eines peer review-Verfahrens begutachtet. Die Begutachtungsverfahren können sich je nach Beitragstyp ggf. unterscheiden, weitere Details hierzu folgen. Die Abstracts sowie auch die finalen Beiträge können in deutscher und englischer Sprache eingereicht werden.
(1) Langartikel zu experimentellen Methoden und Verfahren der DH
Verantwortlich: Joëlle Weis, Timo Steyer und Peer Trilcke
Wenngleich die DH wegen ihrer methodischen Ausrichtung immer zu einem bestimmten Grad experimentell sind (zumindest im Vergleich zu traditionellen geistes- und kulturwissenschaftlichen Disziplinen), so scheinen sich in den letzten Jahren doch einige Verfahren, insbesondere im Bereich der textbasierten DH, zunehmend zu etablieren. Daher sollen in diesem Beitragstyp vor allem Methoden und Verfahren angesprochen werden, die noch experimentellen Status innehaben. Gesucht werden idealerweiseEinreichungen zu neuartigen Anwendungsbereichen und mit unorthodoxen Ideen. Die Beiträge können auch kritische Einblicke und Bewertungen aktueller Diskurse geben oder provokative Thesen formulieren. Willkommen sind ebenso Einreichungen zu und mit unterschiedlichen Medientypen, wie etwa Videos, Bilder, Musik, Spiele und 3D-Objekte.
Zunächst sollen Abstracts der geplanten Beiträge mit einer Länge von 500 – 1.000 Wörtern eingereicht werden. In den Abstracts soll die Fragestellung klar umrissen und der Grad der Innovativität deutlich gemacht werden. Die Langbeiträge umfassen 5.000 – 7.000 Wörter (Abbildungen und Referenzen nicht mitgerechnet).
(2) Daten-Experimente / Publikation von Datensätzen
Verantwortlich: Lisa Dieckmann und Ulrike Wuttke
Diese Beitragskategorie beschäftigt sich mit der Publikation von Datensätzen. Gesucht werden hier vor allem unkonventionelle corpora obscura. Die Datensätze sollen frei verfügbar, bspw. über ein anerkanntes institutionelles, fachliches oder generisches Forschungsdatenrepositorium veröffentlicht werden und dabei möglichst die FAIR-Prinzipien (findable, accessible, interoperable, reusable) berücksichtigen. Darüber hinaus soll ein Beitrag im Umfang von 3.000 – 5.000 Wörtern (Abbildungen und Referenzen nicht mitgerechnet) in der ZfdG publiziert werden, der die Erstellung und die Besonderheiten des Datensatzes beschreibt und methodische Anknüpfungspunkte und konkrete Forschungsfragen aufzeigt (Data Paper). Die nachfolgenden Beispiele sollen die geforderte Kombination aus Datensätzen und begleitenden Artikeln anhand bestehender dataset publications illustrieren:
Bitte reichen Sie zunächst Abstracts im Umfang von 500 – 1.000 Wörtern ein und stellen Sie dar, welche Daten Sie publizieren wollen und inwiefern diese relevant für die DH-Community sind. Gehen Sie dabei auch kurz auf die Berücksichtigung der FAIR-Prinzipien und die geplante Infrastruktur zur nachhaltigen Veröffentlichung der Daten ein, sofern es in diese Richtung bereits Überlegungen gibt. Falls der Datensatz bereits (vollständig oder in Teilen) veröffentlicht wurde, bitten wir um eine kurze Motivation der Publikation im Rahmen des geplanten Sammelbands.
(3) Code-Experimente / Publikation von ausführbaren Notebooks
Verantwortlich: Manuel Burghardt und Niels Walkowski
Neben der Publikation von Datensätzen, ist ein weiteres Experiment dieses Sammelbands die Veröffentlichung von „executable publications“. Gesucht sind hier interaktive Jupyter Notebooks (Python und R-basiert), die, sofern möglich, zusammen mit den verwendeten Daten und einer technischen Dokumentation als Git-Repositorium eingereicht werden. Alle Notebooks haben neben den Code-Abschnitten eine klar strukturierte und verständliche textuelle Komponente. Einreichungen in dieser Kategorie werden parallel in einer ausführbaren Version bei Melusina Press und einer statischen Textversion im Umfang von 3.000 – 5.000 Wörtern (Abbildungen und Referenzen nicht mitgerechnet) in der ZfdG publiziert.
Ziel dieser Beitragskategorie ist die Verschränkung textueller Passagen mit code-basierten Explorationen innerhalb eines wissenschaftlich-narrativen Zusammenhangs. Dabei soll die häufig anzutreffende Rollenverteilung von Text als Mittel der Interpretation und Daten/Code als Ort empirischer Stringenz aufgebrochen werden. Wir gehen davon aus, dass Code genauso gut eine Theorie kommunizieren kann wie Textualität verschiedenste Formen der Evidenz zu produzieren vermag. Beiträge in dieser Kategorie sollten diesen gleichberechtigten und experimentellen Umgang mit beiden Modalitäten (und anderen, wie z. B. Bildern) ernstnehmen und entsprechend widerspiegeln. Code-Experimente können dabei ganz unterschiedliche Ziele verfolgen. So kann in essayistischer Manier einer Forschungsfrage oder einem Forschungsgegenstand nachgegangen werden. Ein methodisch orientiertes executable paper wiederum kann interaktive Komponenten dazu nutzen, eine neue Forschungsmethode unter weitreichender Einbeziehung von LeserInnen zu vermitteln und durch Parametrisierbarkeit diese Komponenten umfänglich evaluierbar zu machen.
Bei Interesse an einer Einreichung dieser Art wird um eine frühzeitige Mitteilung gebeten. Weitere technische Anforderungen und formale Vorgaben werden nach Kontaktaufnahme zugesendet. Gefordert sind weiterhin Abstracts im Umfang von 500 – 1.000 Wörtern, die das Konzept und die Struktur des Notebooks erläutern. Es sollte dabei deutlich werden, inwiefern die später ausführbaren Code-Komponenten einen epistemologischen Mehrwert gegenüber einer rein textuellen Beschreibung bringen.
Literatur zum Call