Stellungnahme des Verbandes Digital Humanities im deutschsprachigen Raum (DHd) zur Nationalen Forschungsdateninfrastruktur (NFDI)

Dieses Papier basiert auf einer Stellungnahme der AG Datenzentren mit Ergänzungen durch die AG Informatik der DHd vom 31. Juli 2017.

Ursprüngliche Fassung vom 31. Juli. 2017, aktualisiert am 18. Januar 2018: PDF-Version zum Download

Der Rat für Informationsinfrastrukturen (RfII) hat im vergangenen Jahr in seiner Publikation “Leistung durch Vielfalt: Empfehlungen zu Strukturen, Prozessen und Finanzierung des Forschungsdatenmanagements in Deutschland” Empfehlungen für die Weiterentwicklung von Infrastrukturen für Forschungsdaten ausgesprochen und eine Agenda für die schrittweise Schaffung einer nationalen Forschungsdateninfrastruktur (NFDI) in Form eines Netzwerkes beschrieben. Im April 2017 konkretisierte der RfII seine Empfehlungen für die NFDI durch das Diskussionspapier “Schritt für Schritt – oder: Was bringt wer mit?”. Zu diesen aktuellen Entwicklungen nimmt der Verband Digital Humanities im deutschsprachigen Raum (DHd) mit dem vorliegenden Text Stellung, um die Perspektive der durch den Verband vertretenen Fachgemeinschaften und im Verband mitwirkenden Infrastruktureinrichtungen aufzuzeigen und die Bereitschaft zur Mitarbeit bei der konkreten Umsetzung der genannten Empfehlungen des RfII und der Schaffung einer NFDI zu bekunden.

Die Arbeitsgemeinschaft der Datenzentren im DHd-Verband

Der 2013 gegründete Verband DHd ("Digital Humanities im deutschsprachigen Raum") versteht sich als Forum und formelle Interessenvertretung für alle, die sich im deutschsprachigen Raum in Forschung und Lehre sowie in Dienstleistungen im Bereich digitale Geisteswissenschaften (“Digital Humanities”) engagieren. Innerhalb des DHd-Verbandes existiert von Anfang an die in diesem Kontext wichtige Arbeitsgruppe Datenzentren, in der institutionelle, lokale, regionale bzw. nationale Datenzentren, disziplinspezifische Einrichtungen mit nationaler Ausrichtung sowie die verteilten Datenzentren der international eingebetteten Forschungsinfrastrukturen CLARIN-D und DARIAH-DE vertreten sind. Sie verfügt hierdurch über Expertise für Daten aus allen geisteswissenschaftlichen Forschungsbereichen. Gemeinsam ist den an der AG beteiligten Datenzentren, dass sie teils schon jetzt, teils perspektivisch konkrete Dienstleistungen anbieten, eine große Nähe zu den einzelnen Nutzenden (Individuen, Projekten und Institutionen) aufweisen, Erfahrungen mit fachspezifischen Anforderung besitzen, forschungsbasierte Konzepte und Innovationen verfolgen und auf diese Anforderungen ausgerichtete generische sowie individuelle Lösungen entwickeln. Die AG stellt somit eine funktionierende Kommunikationsplattform von etablierten Infrastrukturpartnern dar, um die abgestimmte Entwicklung von Angeboten für die Fachgemeinschaft, also die forschenden Nutzenden, zu unterstützen, Potenziale für Synergien auszuloten und Beiträge zu Konzepten für die internationale Ein- bzw. Anbindung der angebotenen Dienste zu erarbeiten.

Welche Aspekte des Papiers "Leistung aus Vielfalt" werden besonders begrüßt?

Der DHd Verband stimmt in vielen Punkten den vom RfII identifizierten fünf dringlichsten Handlungsfeldern für Wissenschaft und Politik und sowie den umfangreichen, an verschiedene Adressatengruppen gerichteten Einzelempfehlungen zu und sieht sich in der Forderung nach Vernetzung von verteilten kooperierenden Datenzentren bestätigt.

Aus Sicht des Verbandes sind insbesondere die folgenden Aspekte zu betonen:

  • Fördermechanismen anpassen: Um mittelfristig zu einer ausgewogenen Balance von befristeter Projektförderung und dauerhafter Institutionalisierung zu gelangen, ist aus Perspektive der AG eine nationale Roadmap mit Finanzierungsplanung im Sinne einer NFDI sehr zu befürworten. Nur durch eine solide und nachhaltige Finanzierung von dauerhaften Infrastrukturen auf der einen Seite und Innovationen initiierenden Projekten auf der anderen Seite lässt sich eine Akzeptanz der Angebote und ein Vertrauen in die Akteure bei den Nutzenden erlangen. Hierdurch wird auch die weitere Vernetzung der Angebote der einzelnen Zentren sowie eine einheitliche Bereitstellung der Dienste mit gleichen Qualitätsstandards ermöglicht.
  • Effizienz und Koordination durch eine verteilte, nationale Infrastruktur sicherstellen: Durch die Verstetigung und Vertiefung der bisherigen vielversprechenden Zusammenarbeit – wie z. B. im Rahmen der AG Datenzentren bereits vorgelebt – wird sich eine produktiv vernetzte nationale Forschungsdateninfrastruktur koordiniert und effizient weiterentwickeln und erfolgreich umsetzen lassen. Die lokale, regionale, nationale oder disziplinspezifische Ausrichtung der einzelnen Datenzentren bietet im Verbund mit den international verankerten Initiativen die beste Gewähr für ein vielfältiges, strukturiertes und aufeinander abgestimmtes Angebot, das eng an den tatsächlichen Bedürfnissen der Forschung orientiert ist.
  • Forschungsdatenkultur befördern: Die Unterstützung von Forschenden vor Ort gehört zu den wichtigsten Aufgaben von Datenzentren. Nur durch den direkten Austausch kann sichergestellt werden, dass sich eine breit akzeptierte Forschungsdatenkultur entwickelt, in der auch Open Access, Open Science und Open Data zu zentralen Themen im geisteswissenschaftlichen Forschungskontext werden.
  • Übergreifendes Monitoring und Qualitätssicherung einrichten: Ein flächendeckendes übergreifendes Monitoring und eine effektive Qualitätssicherung können nur aus der Verbindung der Praxiserfahrungen der verschiedenen Einrichtungen und Initiativen vor Ort mit bereits national angelegten generischen technischen Lösungen entstehen. Die Zusammenführung von praktischer Erfahrung, methodischer Kompetenz und technischen Lösungen erfolgt idealerweise in einer Gruppe wie der AG Datenzentrum der DHd, in der die entsprechenden Akteure in ihrer ganzen Breite vertreten sind.
  • Personalentwicklung auf allen Ebenen betreiben: Geisteswissenschaftliche Datenzentren müssen ein sehr breites Anforderungsprofil abdecken, wofür sie gut ausgebildetes Personal benötigen. Die abzudeckenden Aufgabenbereiche reichen von der Beratung, über die praktische Datenkuratierung als Schnittstelle zwischen Forschung und Langzeitarchivierung bis hin zu neuen Entwicklungsaufgaben. Das Forschungsdatenmanagement ist ein Arbeitsbereich, in dem Aus- und Weiterbildung, die Anerkennung der speziellen Leistungen und faire Zukunftsperspektiven eine besondere Rolle spielen. Datenzentren sind auf ein ganzheitliches, zukunftsgerichtetes Personalentwicklungskonzept angewiesen, um ihre Dienste verlässlich anbieten zu können. Dazu müssen sie aber auch verlässliche Berufsperspektiven bieten können.

Was kann der DHd-Verband zum Aufbau der NFDI beitragen?

Im DHd-Verband kooperieren unterschiedliche, aber fachlich eng zusammenarbeitende Forschungsinfrastruktur- und Forschungsdatenzentren, die bereit sind, ihre Expertise und Erfahrungen beim Aufbau einer NFDI einzubringen:

  • Zur Modellierung und Operationalisierung von geisteswissenschaftlichen Fragestellungen können umfangreiche Erfahrungen geteilt und Empfehlungen gegeben werden. Nur so können die Potentiale digitaler Forschungsinfrastrukturen optimal genutzt werden.
  • Die Sicht- und Erreichbarkeit der Datenzentren selbst sowie der von ihnen betreuten Ressourcen kann erhöht werden.
  • Rationelle Arbeitsteilung wird gefördert: Dienstleistungen, die ein einzelnes Datenzentrum evtl. nicht anbieten kann, können in einem Verbund mit verteilten Aufgaben und Verantwortungen bewerkstelligt werden (z. B. Ausbildung und Beratung, Betreuung und Entwicklung vor Ort, redundante Datenarchivierung, Klärung von Rechtsfragen).
  • Durch die Berücksichtigung von Verfahren zur Datenintegration, -analyse und -verlinkung in digitalisierten Forschungsprozessen können nachhaltige Dienste etabliert werden, die einerseits nachfrageorientiert und im engen Kontakt mit Forschenden vor Ort betrieben werden und andererseits mit übergreifenden Strukturen abgestimmt sind, so dass eine Wiederverwendbarkeit von Daten und Verfahren in digitalen Forschungsinfrastrukturen gewährleistet ist.
  • Der Prozess der technischen und semantischen Standardisierung lässt sich so vorantreiben, dass die Forschung von einer verbesserten Vergleichbarkeit und Interoperabilität von Forschungsdaten und -verfahren, einem zentrenübergreifenden Nachweis und Zugriff und damit von der Einbindung geisteswissenschaftlicher Daten und Forschungsinfrastrukturen in das Paradigma der reproducible science im allgemeinen direkt profitieren kann.
  • Zur Qualitätssicherung kann der Verband bzw. die AG (vergleichbar mit dem RatSWD) die Anerkennung von etablierten und neuen Infrastrukturen anhand fachspezifischer Kriterien und allgemeiner Zertifikate vornehmen.

Die DHd ist mit Rekurs auf die in den AGs des Verbandes vertretenen Kompetenzen bereit, eine gemeinsame Governance-Struktur für die Phasen des Einstiegs in eine NFDI für die Geisteswissenschaften und die damit verbundenen gemeinsamen Aufgaben zu diskutieren und konkrete Lösungsvorschläge auszuarbeiten, die die vorhandenen institutionellen, konzeptionellen und technischen Nachhaltigkeitsstrategien ihrer Mitglieder einbeziehen.

Datenzentren entstehen an vielen Institutionen aus bestehenden Angeboten und aufgrund der konkreten, spezifischen Nachfrage nach Lösungen. Als Ziel sehen wir eine föderale Landschaft von kooperierenden institutionellen und fachspezifischen Datenzentren, die sich aus den Bedürfnissen der Fachdisziplinen konstituieren und in enger Abstimmung mit den FachwissenschaftlerInnen weiterentwickeln. Der DHd-Verband und die AGs regen mit Nachdruck an, die Geisteswissenschaften innerhalb der künftigen NFDIen organisatorisch eigenständig zu verankern, da es in den Geisteswissenschaften fachspezifische Forschungsziele, -methoden und -anforderungen gibt, die von den anderen Wissenschaftsbereichen zum Teil stark abweichen.

Der Verband DHd erklärt sich gemeinsam mit den AGs und insbesondere der AG Datenzentren ausdrücklich dazu bereit, die Realisierung einer NFDI zu unterstützen und einen konstruktiven Beitrag bei der Vernetzung und Koordination der verschiedenen geisteswissenschaftlichen Fächer und Infrastruktureinrichtungen zu leisten. Als zentrale Vertretung der mit digitalen Methoden arbeitenden Geisteswissenschaften im deutschsprachigen Raum kann der Verband DHd seine umfassende, Disziplinen, Sparten und Institutionen überspannende Expertise bei der Gestaltung dieser Prozesse einbringen, in denen gemeinsame Ziele erarbeitet und erreicht werden sollen. Gestützt auf die Erfahrungen und Expertise der AGs in den Bereichen institutionelle, regionale, nationale und disziplinspezifische Datenzentren sowie Internationalisierung kann der DHd-Verband auch die Verbindung zu international eingebetteten geisteswissenschaftlichen Forschungsinfrastrukturen herstellen und zwischen den Interessen und künftigen Aufgaben von Fachdisziplinen und -verbänden, Datenzentren, Forschungsinfrastrukturen und Gedächtnisinstitutionen vermitteln.

Verband Digital Humanities im deutschsprachigen Raum (DHd): https://dig-hum.de/, Vorsitzende: Prof. Dr. Claudine Moulin

Datum: 18.01.2018

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