Es ist vollbracht. Der 17.07.2012 liegt hinter uns und das heißt, dass wir nun einen offiziellen deutschsprachigen Verband für Digital Humanities haben. Noch vor der Eröffnungsveranstaltung der DH2012 Konferenz haben deutsche Forscher ein volles Programm mit zwei »Science-Slams«, der Gründungssitzung und einer Panel Diskussion hinter sich gebracht. Dabei war die Stimmung von dem freundlichen Interesse geprägt, sich endlich zusammenzuschließen und gemeinsam die digitalen Geisteswissenschaften im deutschsprachigen Raum voranzutreiben.
Das erste Highlight des Tages war der Science-Slam der Nachwuchswissenschaftler. Aufgrund des positiven Echos und der daraus resultierenden Vielzahl von Projektvorstellungen hatte jedes Projekt nicht mehr als fünf Minuten um sich von seiner besten Seite zu präsentieren. Danach war dann Zeit mit etwas mehr Ruhe und einer Tasse Kaffee persönlich mit den jungen Wissenschaftlern zu sprechen oder die mitgebrachten Poster in Ruhe zu studieren. Die Nachwuchsstipendiaten »slamten« als gelte es, einen Wettbewerb zu gewinnen. Keiner überschritt das vorgegebene Zeitlimit. Sie zeigten ein inspirierendes Feuerwerk von Textanalyse, -edition und -visualisierungen über ein Blogprojekt bis hin zu Ideen zur Beziehung zwischen Literatur und Statistik. Ein Highlight für Wissenschaftler aller Disziplinen war dabei das in der Planung befindliche »Digital Scrapbook« von Fabienne Lorenz - das Ende der Zettelkästen ist nah!
Nach dem informellen »Meet and Greet« in der Pause ging es in die zweite Slamrunde. Nicht ganz so schnell wie die Nachwuchsstipendiaten gaben die Wissenschaftler der nun vorgestellten Projekte einen ebenso vielfältigen Überblick über die deutsche DH-Landschaft. Dabei war dieser zweite Projektslam etwas weniger textorientiert. Vorgestellt wurde unter anderem der gerade neu gegründete Arbeitskreis für digitale Kunstgeschichte, mehrere DH-Institute verschiedener Sparten und, was für alle Wissenschaftler gleichermaßen wichtig ist, die Förderaktivitäten des BMBF. Bevor es nun in die Mittagspause ging, war wieder Zeit für ein persönliches Kennenlernen.
Es liegt in der deutschen Geschichte begründet, dass ein Zusammenschluss deutschsprachiger Geisteswissenschaftler sich nicht auf Deutschland beschränken darf. Deutschsprachige Länder wie Österreich und die Schweiz müssen ebenso einbezogen werden wie deutschsprachige Minderheiten in anderen Ländern. Aus diesem Grunde war die Namensgebung der erste Anlass zur Diskussion bei der eigentlichen Gründungssitzung am Nachmittag. DHD - Digital Humanities Deutschland scheint trotz seiner Griffigkeit aus diesem Grunde ungeeignet.
Die zweite große Frage an diesem Tag war, wie das Verhältnis zur internationalen DH Organisation ADHO aussehen soll. Zwar bietet es eine vorhandene Infrastruktur, in die man sich leicht integrieren könnte, doch die Nähe zur »Oxford University Press« wurde als problematisch empfunden. Dass die deutschsprachige DH-Community eine Idee des »Open Access« verfolgt war allgemeiner Konsens, weshalb das Verlagshaus mit seiner »Closed Access«-Strategie kritisch gesehen wurde. Doch trotz dieser Widrigkeiten waren sich alle darüber einig, dass ein Verein gegründet werden soll, der die digitalen Geisteswissenschaftler im deutschsprachigen Raum zusammenbringt. So konnte die Gründung ohne Gegenstimmen und mit nur wenigen Enthaltungen beschlossen werden.
Am Ende dieses erfolgreichen Tages konnte man sich wieder einem inhaltlichen Gespräch zuwenden. Prof. Elisabeth Burr (Leipzig), Dr. Sebastian Drude (Frankfurt), Prof. Erhard Hinrichs (Tübingen), Prof. Fotis Jannidis (Würzburg), Prof. Jan Christoph Meister (Hamburg), Prof. Claudine Moulin (Trier), Dr. Heike Neuroth (Göttingen), Prof. Manfred Thaller (Köln) waren die Teilnehmer einer Podiumsdiskussion zur momentanen Situation der digitalen Geisteswissenschaften im deutschsprachigen Raum. Dr. Wilhelm Krull von der Volkswagenstiftung, die die Unconference unterstützt hat, moderierte das anregende Gespräch. Zentrale Kontroversen waren die Beziehung der Geisteswissenschaften zu den von Prof. Manfred Thaller augenzwinkernd als »völlig unwichtig« bezeichneten Naturwissenschaften und die Frage nach einer Infrastruktur für Forschungsprojekte, -ergebnisse und DH-Tools. Wenn Sie nicht die Möglichkeit hatten, an der Unconference teilzunehmen, so können sie hier die Panel Diskussion online ansehen.
Nach der Diskussion wurde der Gründungsvorstand, der vor der Kaffeepause gewählt wurde, bekannt gegeben. Da Vielfalt eine der wichtigsten Charakteristika der digitalen Geisteswissenschaften ist, sollte auch der Vorstand eines DH-Vereins diese repräsentieren. Am Ende wurden Claudine Moulin, Jan Christoph Meister, Peter Gietz, Elisabeth Burr, Thomas Stäcker, Malte Rehbein, Joachim Veit und Michael Stolz gewählt. Damit sind neben Philologen und Literaturwissenschaftlern auch ein Kulturwissenschaftler mit profunden Kenntnissen in Informatik, ein Bibliothekswissenschaftler, ein Musikwissenschaftler und neben Wissenschaftlern aus Deutschland auch ein Schweitzer in den Vorstand gewählt worden. Am Ende des Tages wirkten alle sehr glücklich über diesen wichtigen und erfolgreichen Tag für die deutschsprachigen Digital Humanities.