Im Wintersemester 1827/28 hielt Alexander von Humboldt an der Berliner Universität und in einem zweiten, teilweise parallel verlaufenden Zyklus an der benachbarten Singakademie Vorträge über »Physische Erdbeschreibung, mit Prolegomenen über Lage, Gestalt und Naturbeschaffenheit der Gestirne«. Diese – erst später als »Kosmos-Vorträge« bezeichneten – öffentlichen Vorlesungen erregten schon unter Zeitgenossen enorme Aufmerksamkeit sowohl in wissenschaftlichen Kreisen als auch in der breiteren Öffentlichkeit. Heute werden sie in der Forschung als Meilenstein der Wissenschaftspopularisierung mit großer Bedeutung für den Wissenschaftsstandort Berlin wahrgenommen. Sie können ohne Frage als zentrales Ereignis im Leben und Schaffen Humboldts angesehen werden, insbesondere im Zusammenhang mit der direkt daran anschließenden, sich allerdings über Jahre mehrere Jahre bis zum Tod Humboldts erstreckenden Ausarbeitung des »Kosmos – Entwurf einer physischen Weltbeschreibung« (5 Bde.; Stuttgart, Tübingen: Cotta, 1845–1862).
Der unbestreitbaren Wichtigkeit der »Kosmos-Vorträge« sowohl für Alexander von Humboldt im Besonderen als auch für die Wissenschafts- und Kulturgeschichte im Allgemeinen steht eine extrem unsichere Quellenlage zu den Vorträgen selbst gegenüber: Von Besuchern der Vorträge angefertigte Nachschriften, die sich erhalten haben, sind zum größten Teil unveröffentlicht; Humboldts eigenhändige Manuskripte, die den Vorträgen zugrunde lagen, sind bislang in keiner Forschungsarbeit eingehend gewürdigt worden. Vor diesem Hintergrund wird das Projekt »Hidden Kosmos« die Vorlesungen als Forschungsfeld erstmals erschließen. Der Schwerpunkt liegt dabei auf der digitalen Verfügbarmachung sämtlicher heute bekannter Nachschriften der damaligen Hörer Humboldts.
Hauptziele des Projekts »Hidden Kosmos« sind die Transkription und Annotation von bislang unveröffentlichten Nachschriften der »Kosmos-Vorträge« Humboldts, deren Verknüpfung untereinander, mit zeitgenössischen Texten Humboldts und anderer Forscher sowie schließlich auch mit zugehörigen Materialien von Humboldts Hand, die dieser sowohl für die Vorträge 1827/28 als auch als ständig erweiterte Datenbasis für den im Anschluss daran entstehenden »Kosmos – Entwurf einer physischen Weltbeschreibung« (5 Bde. 1845–1862) und weitere Publikationen verwendete.
Die Edition sämtlicher bislang bekannter Nachschriften der »Kosmos-Vorträge« Humboldts und deren Verknüpfung untereinander sowie mit zugehörigen Materialien aus Humboldts Nachlass wird erstmals belastbare Quellen liefern, die Aussagen über Inhalt, Verlauf und Bedeutung dieses Ereignisses zulassen. Obgleich die »Kosmos-Vorträge« in der Forschung als eines der zentralen Ereignisse in Leben und Schaffen Humboldts dargestellt werden, ist der allergrößte Teil der im Projekt »Hidden Kosmos« zu erschließenden Materialien der (Humboldt-)Forschung bislang unbekannt.
Die Nachschriften bieten eine notwendige Grundlage für die weitere Erforschung Humboldts eigenhändiger Vortragsmanuskripte, seiner Arbeitspraxis und seiner internationalen Vernetzung innerhalb der zeitgenössischen Gelehrtenrepublik. Durch ihre Publikation wird die quellengestützte Erforschung der »Kosmos-Vorträge« in ihrer Bedeutung für das Werk Alexander von Humboldts, für den Wissenschaftsstandort Berlin und die Entwicklung der Natur- und Geisteswissenschaften des 19. Jahrhunderts überhaupt erst ermöglicht.
Prof. Dr. Christian Kassung (Projektleitung); Christian Thomas (Koordination); Benjamin Fiechter, Tina Krell (studentische Mitarbeiter)
Exzellenzinitiative an der Humboldt-Universität, Förderlinie »Freiräume«